Konfetti für den Umweltschutz und glückliche Bienen
Dinge ohne Zweck, einfach aus Lust am Konsum kaufen und Umweltschutz passen nur selten gut zusammen. Diese Gleichung trifft auf die meisten Artikel zu. Sie ist ein Wesenszug der Wegwerfgesellschaft. Doch es gibt es eine Ausnahme und das sogar für ein echtes Wegwerfprodukt: Philip Weyer hat Konfetti neu erfunden und es schlicht Saatgutkonfetti genannt. Der Name sagt bereits aus, was hier anders ist und wie aus einem schönen Lifestyle-Produkt für den Restmüll ein ebenso schönes, aber kompostierbares Lifestyle-Produkt mit einem neuen Leben als Blume wird. Saatgutkonfetti hat zwei Leben: Das erste als Konfetti und das zweite als Pflanze. Im Interview erzählt Philip, wie er auf Saatgutkonfetti kam und wieso ihm das Thema wichtig ist.
Konfetti für alle!
Konfetti ist völlig unterschätzt. Auch jenseits der untrennbaren K-Begriffe Karneval und Konfetti, bei Festivals und Parties, in Unternehmen, bei Geburtstagen, Hochzeiten, Siegerehrungen – wenn es was zu feiern gibt, ist Konfetti dabei. Das perfekte Sinnbild für Leichtigkeit, keine ernsthaften Gedanken machen. Genau das ist für ökologisch-denkende Menschen wiederum ein Problem. Das KO-Kriterium für den Einsatz von Konfetti sind die Müllberge nach dem Spaß. Tonnen von Abfällen werden zusammengekehrt und weil Recycling nicht möglich ist, als Restmüll entsorgt. Seitdem die Papierschnipsel auch noch durch billigere Plastikschnipsel ersetzt werden, wächst die Umweltsünde. Saatgutkonfetti bricht diese Regel auf. Die produktgewordene Philosophie wendet das Problem ins Schöne und geht dabei noch einen Schritt weiter.
Philip, was genau ist Saatgutkonfetti?
„Das Saatgutkonfetti enthält Saatgut von bis zu 24 heimischen Pflanzenarten. Da sind bekanntere Pflanzen bei, wie Schlüsselblumen, Duft-Veilchen oder Feld-Thymian und insgesamt viele Gräser und Kräuter, aber auch Sauerampfer, Rotes Straußgras und Leinkraut. Alles sind Lichtkeimer, wie übrigens die meisten Küchenkräuter, Möhren, Kopfsalat und Tomaten auch. Das Saatgut liegt mit dem Konfetti auf dem Boden auf und wird nicht eingebracht und mit Erde bedeckt. Das Trägermaterial im Konfetti beruht auf einer Stärkebasis. Dazu kommen natürliche Farbstoffe. Die Rohstoffe und Zusatzstoffe sind bio-zertifiziert und vegan. Wir produzieren als Manufaktur in einer kleinen Produktionsstätte in Kassel. Von da aus erfolgt auch der Versand und auch der ist Handarbeit.“
Welche Rolle spielen Umweltschutz und Kreislaufwirtschaft bei Saatgutkonfetti?
„Alles, was die Natur abgibt oder wegwirft, also übertragen gesehen, was für den einen Player Müll ist, wird wiederum von einem anderen Organismus verwertet. Der Mensch nimmt sich da als einziges Lebewesen raus und macht Sachen, die nicht zu 100 Prozent verwertet werden können. Dabei haben wir alle durchaus die Chance, der Umwelt etwas Gutes zu tun. Ohne, dass das immer gleich zu Verboten führt.
Das Konfetti soll ein bisschen symbolisch dafür sein, dass wir ein Produkt haben, das wir wegwerfen können und tatsächlich dient es danach nicht mehr dem Menschen, sondern die Zielgruppe ist eine andere, wenn es weggeworfen ist.
Saatgutkonfetti in der Stadt führt zu mehr heimischen Pflanzen in unseren besiedelten Gebieten. Und das bedeutet mehr Nahrung für Insekten, wie Bienen, aber auch die anderen fliegenden Insekten, deren Bestand massiv zurückgegangen ist. Das ist in den letzten Jahren zunehmend ein Problem geworden, dass wir eben nicht mehr genug Bienen haben, dass wir so starke Ungleichgewichte in den Ökosystemen haben. Heimische Pflanzen erhalten die Biodiversität.“
Wie bist Du auf die Idee zu Saatgutkonfetti gekommen?
„Die Idee, Konfetti und Samen miteinander zu verbinden hatte ich schon länger im Kopf. Es gab ein paar ausschlaggebende Themen, die mich immer wieder beschäftigten und die dann bei Saatgutkonfetti zusammengewachsen sind. Ich studiere in Kassel Produktdesign und habe auf dem Weg zur Uni manchmal Blumensamen auf die Flächen geworfen, über die niemand drüber läuft. Da sind schöne Blumen draus geworden, die wurden von den Leuten angenommen. Die Stadtreinigung hat die Blumen dann regelmäßig rausgerissen. Das fand ich arrogant von unserer Gesellschaft zu sagen, was jetzt wo wachsen darf, was jetzt Wildwuchs ist. Einfach so, weil sie nach dem Gesichtspunkt des menschlichen Auges als nicht schön angesehen waren. Und dann komme ich aus Köln und bin durch den Karneval geprägt. Ich weiß ja, wie es nach einer Karnevalsfeier aussieht. Die Konfettikanone am Rhein. Das geht in den Fluss, dann ins Meer. Es ist schwer, das wieder rückgängig zu machen. Und so kam dann eins zum anderen.
Wir, als Gesellschaft, freuen uns ja, wenn wir Restmaterial haben, das wir einfach wegwerfen können und dann wird da was draus.
Ich habe die Idee, Konfetti mit Samen zu verbinden, mit Hannah Hartmann, einer Freundin und Kommilitonin, besprochen. Wir haben dann gemeinsam überlegt: Wie kann das gehen, wie können wir Konfetti mit oder aus Saatgut herstellen, welches Material brauchen wir? Wir haben ein dreiviertel Jahr daran gearbeitet, bis wir ein Verfahren gefunden haben und auch einen Weg, wie wir das produzieren können. Dann ging‘s schwupp di wupp und wir waren im Crowdfunding.“
Ihr wart mit eurem Crowdfunding sehr erfolgreich, wie ging es dann weiter?
„Unsere Crowdfunding-Kampagne bei startnext lief einen Monat, von April bis Mai 2019. Sie hat alles übertroffen, was wir uns vorgestellt haben. Die Nachfrage dort und die Reaktionen waren sehr schön und das hat uns stark motiviert auf alle Fälle weiterzumachen. Wir haben direkt die ersten Päckchen produziert und verkauft. Das haben einige Medien aufgegriffen, es gab kleinere Artikel in Zeitungen, Berichte im Radio. Ich war dann auf einmal Unternehmer und habe ein Team gefunden, Katja und Chris. Seitdem arbeiten wir als Kernteam und mit mittlerweile knapp 18 Leuten – und sind auch nach fast zwei Jahren noch ohne Investor*innen.“
Wie bekommt ihr Samen und Konfetti so zusammen, dass es hält?
„Insgesamt sind es 24 verschiedene Samen mit unterschiedlichen Größen. Manche sind winzig, andere etwas größer. Wichtig war es, dass das Verfahren schonend für das Saatgut ist, dass es keinen Schaden nimmt. Die Konfetti-Trägersubstanz ist die Stärkebasis, dazu kommen natürliche Farbstoffe. Und wir verbinden das dann.“
Welche Rolle spielt die Beschaffung, woher kommen die Rohstoffe?
„Es ist uns wichtig, alle Schritte in der Kreislaufwirtschaft mitzudenken und gute Rohstoffe zu bekommen. Wir haben eine große Recherche gemacht: Was macht Sinn, an Saatgut ins Konfetti rein zu machen. Wir arbeiten mit einem regionalem Saatgutproduzenten, der unsere Samen produziert, und haben uns dort eine Mischung bestellt, die auf unsere Bedürfnisse zutrifft. Dass es Lichtkeimer sind, dass sie eine gewisse Größe nicht überschreiten, dass sie auch eben im Konfetti funktionieren. Seitdem entwickelt sich die Mischung stetig weiter. Wir sind im ständigen Austausch und besprechen, welches Saatgut für eine neue Produktion oder eine unserer Editionen am besten wäre. Die anderen Rohstoffe wie Stärke, Fa
rbstoffe und Additive, die zum Beispiel in unseren Editionen eingesetzt werden, kommen von Bio-zertifizierten Betrieben. Die Verpackung des Saatgutkonfettis selber ist kompostierbar und recycelbar. Und die Umverpackung ist aus recyceltem Karton oder Graspapier.“
Was kommt als nächstes von Saatgutkonfetti?
„Wir haben ein Kartenspiel rausgebracht, ein 32-Blatt-Kartenspiel. Pro Karte stellen wir eine Pflanze oder ein Insekt vor. Das sind teilweise Pflanzen, die auch im Konfetti sind. Mit einer Zeichnung von der Pflanze mit Wurzel und verschiedenen Blütenständen, dass man sie wiedererkennen kann, und mit ein paar Fun Facts dazu. So kann man spielerisch Know-how und Knowledge über unsere heimische Pflanzenvielfalt aufbauen. Außerdem haben wir saisonale Sondereditionen von Saatgutkonfetti. Im Herbst zum Beispiel war es Laubkonfetti, im Winter Schneekonfetti oder jetzt Glückskonfetti in Kleeblattform.“
Du machst jetzt fast zwei Jahre Saatgutkonfetti: Hast Du schon eine neue Idee, was Du verändern möchtest und angehen wirst?
„Zunächst werde ich mit Konfetti den größten Teil meiner Zeit zu verbringen. Wir haben noch viele Ideen und ich möchte da noch einiges erreichen. Und ansonsten bin ich ja weiterhin Produktdesigner und habe auch weiterhin das Bedürfnis unterschiedliche Arten von Produkten zu entwickeln. Fashion mache ich schon ein bisschen und entwerfe auch andere, alles unterschiedliche, nachhaltige Produkte.
Ich möchte nicht, dass Nachhaltigkeit das einzige Verkaufsargument ist.
Das Produkt soll einen noch auf eine andere Art und Weise reizen. All die Facetten und Aspekte von nachhaltigen Produkten und allgemein, des Wirtschaftens, sollten selbstverständlich sein.
Was mich immer gestört hat ist, dass sehr viel Verantwortung an die Kunden abgegeben wird von Unternehmensseite. Der Markt, der regelt das, der Kunde entscheidet, aber das ist mir ein bisschen zu profan. Ich habe als Produktgestalter und Unternehmer die Motivation und Haltung, die Sachen nachhaltig und im Sinne der Kreislaufwirtschaft zu gestalten und auf den Markt zu bringen.“
Philip, vielen Dank für Dein Vertrauen und das schöne Gespräch.
Hier entlang zu Saatgutkonfetti https://saatgutkonfetti.de
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