Landschaft mit weißen Wolken über grünem Gelände

Plötzlich Klimakiller: Wie aus dem guten CO2 das böse CO2 wurde

CO2 bestimmt das Tempo im Klimawandel. Je höher der Wert in der Atmosphäre, desto dramatischer sind die Prognosen für die Erderwärmung. Aber CO2 war nicht immer ein Klimakiller. Im Gegenteil: Ohne CO2 gäbe es kein Leben auf der Erde, keine Menschen, Tiere, Pflanzen. Über Jahrtausende war der Wert von Kohlenstoffdioxid in der Atmosphäre relativ stabil, von Ausnahmen durch Vulkanausbrüche einmal abgesehen. Bis ungefähr 1850, dem Beginn der industriellen Revolution. Die kohlebefeuerten Dampfmaschinen waren die Motoren für Industrieproduktion im großen Stil – und zugleich die relevante Ursache für jene zusätzlichen CO2-Emissionen, die das Gleichgewicht gestört haben.

Wieso wurde das Gas CO2 vom Baustein des Lebens zum Klimakiller? Was ist CO2? Und was sollten wir wissen, um die Zusammenhänge zwischen CO2, Klima, Industrie und Konsum besser zu verstehen? Die Antworten: in diesem Steckbrief.

Was ist CO2? 

CO2 – kurz für Kohlenstoffdioxid oder Kohlendioxid – ist die chemische Summenformel für die Dreiecksbeziehung von einem Kohlenstoffatom C mit zwei Sauerstoffatomen O2. Die Formel beschreibt eine stabile Verbindung: CO2 ist ein unsichtbares, farb- und geruchloses, nicht-brennbares Gas. Es löst sich gut in Wasser – ein Schlüsselaspekt bei der Suche nach Lösungen für das Klimaproblem. Nicht CO2, sondern alleine Kohlenstoff ist der Grundbaustein allen Lebens, für Pflanzen, Tiere, im menschlichen Körper und in fast allen biologisch relevanten Molekülen. Stirbt ein Lebewesen, bleibt der Kohlenstoff zunächst im Körper gebunden. Zersetzer wie Mikroorganismen und Pilze bauen diese Überreste ab. Der Kohlenstoff gelangt dann ins Wasser oder in den Boden. Kohlenstoff allein, das einzelne C, trägt so nicht zum Treibhauseffekt bei. Was Kohlenstoff so besonders und für unser Leben so wichtig macht, ist seine Flexibilität und Fähigkeit, Bindungen mit anderen Elementen einzugehen. Und diese Bindungen sind enorm stabil und haltbar. Eine der Lieblingsbeziehungen von Kohlenstoff ist die mit Sauerstoff zu CO2. Sie entsteht vor allem durch Verbrennung von kohlenstoffhaltigen Stoffen, wie Holz, Kohle, Gas oder Öl. Feuer festigt CO2, wohingegen natürliche Prozesse wie Photosynthese das Paar wieder trennen. Der Forscher Dag Olav Hessen beschreibt es in seinem Buch „C – Die vielen Leben des Kohlenstoffs“ [1] poetisch: „Das Gleichgewicht zwischen diesen Prozessen ist heute so kräftig verschoben, dass sich das CO2 in der Atmosphäre anreichert, weshalb die Liebe des Kohlenstoffs zum Sauerstoff eine Beziehung ist, die die ganze Welt angeht.“

CO2 in der Atmosphäre: Die Entdeckung des Klimas und die Geschichte des Treibhauseffekts

Die entscheidenden Erkenntnisse zu CO2 und seine Wirkung auf das Klima gehen auf vier Pioniere der Klimaforschung aus dem 19. Jahrhundert zurück. Damals wurde deutlich: Bestimmte Gase in der Atmosphäre sorgen dafür, dass die Erde weder überhitzt noch vereist – sie wirken wie ein natürlicher Thermostat. Die Klimapioniere haben entscheidend zur Entdeckung der Zusammenhänge von Atmosphäre, der dort enthaltenen Gase und dem Treibhauseffekt beigetragen.

 

1824: Der französische Physiker und Mathematiker Joseph Fourier beschrieb als Erster [2], dass die Erdatmosphäre eine wärmende Wirkung hat. Er fragte sich, warum die Erde, die so weit weg von der Sonne ist und sich nur durch ihre Strahlung erwärmt, nicht viel kälter ist. Seine Antwort: Die Atmosphäre wirkt wie eine Glasschicht. Sie lässt zwar das eintretende Sonnenlicht zur Erde durch, gibt aber die von der Erde abstrahlende Wärme nicht wieder zurück ins Weltall ab. Das ist der natürliche Treibhauseffekt. Er sorgt als Thermostat dafür, dass wir bei um die 14 Grad Durchschnittstemperatur der Erde genau die Bedingungen haben, mit denen wir leben können. Ohne diesen Treibhauseffekt läge die Temperatur bei -18 Grad, das Leben auf der Erde sähe damit anders aus. Fourier spezifizierte allerdings noch nicht die Rolle von CO₂.

1856: Die Wissenschaftlerin Eunice Newton Foote [3] wies erstmalig experimentell nach, dass bestimmte Gase, allen voran CO2, die Wärme in der Atmosphäre stärker zurückhalten als andere. Sie stellte fest, dass CO₂ und Wasserdampf Wärme effizienter speichern als normale Luft. Höhere CO2 -Konzentrationen in der Atmosphäre führen somit zu einer höheren Temperatur auf der Erde. Sie schrieb [4]: „An atmosphere of that [carbonic acid] gas would give to our earth a high temperature; and if as some suppose, at one period of its history the air had mixed with it a larger proportion than at present, an increased temperature from its own action as well as from increased weight must have necessarily resulted.” Ihre Arbeit wurde lange Zeit übersehen, dabei legten ihre Ergebnisse die Grundlage für das Verständnis der Rolle von CO₂ beim Treibhauseffekt.

1862: Der irische Physiker John Tyndall kannte die Forschungsergebnisse von Eunice Foote nicht. Er untersuchte alle atmosphärischen Gase und ihre Eigenschaften – eigentlich auf der Suche nach einer Erklärung für das prähistorische Eiszeitalter. 1862 konnte er sehr präzise angeben, welchen Beitrag Wasserdampf, CO2 und Ozon auf den Treibhauseffekt haben [5]. Er fand ebenfalls heraus, dass von den Gasen in der Atmosphäre vor allem Wasserdampf (H2O) dasjenige mit dem stärksten wärmeabsorbierenden Effekt ist [6]. Tyndall erklärte, dass die Zusammensetzung der Atmosphäre eine große Rolle bei der Wärmeregulierung der Erde spielt. Damit legte er einen wichtigen Grundstein für die Klimaforschung.

1903: Der schwedische Physiker, Chemiker und Nobelpreisträger für Chemie von 1903 Svante Arrhenius berechnete als Erster 1896 quantitativ den Zusammenhang zwischen der CO2-Konzentration in der Atmosphäre und der Temperatur der Erde. Er prognostizierte, dass die Verdopplung des CO2-Gehalts in der Atmosphäre die Erdtemperatur um etwa 5 bis 6 Grad erhöhen könnte. Seine Berechnungen zeigten die direkte Verbindung zwischen CO₂ und globaler Erwärmung und gelten als eine der frühesten quantitativen Studien zur Klimasensitivität.

Mit Eintritt des 20. Jahrhunderts waren damit der Treibhauseffekt und mit ihm die Treibhausgase grundlegend beschrieben: CO2, Wasserdampf, Stickstoff, Methan. Die Klimaforschung nimmt hier ihren Anfang. Es brauchte dennoch viele verschiedene Anläufe, Irrtümer, Entdeckungen und rund weitere 50 Jahre, damit dieses Wissen zu globalen Konsequenzen führte [7].

Der Kohlenstoffkreislauf: Wie kommt das CO2 in die Atmosphäre?

Die Pioniere der Klimaforschung legten den Grundstein für unser Verständnis des Treibhauseffekts. Sie erkannten das Wärmewirkungspotenzial von CO2 in der Atmosphäre. Aber ihr Fokus war ein physikalischer, sie hatten kaum eine Vorstellung von den Abläufen, davon woher das CO2 kam, wohin es verschwand. Botaniker und Chemiker wie Jan Ingenhousz (1779 [8]) und Justus von Liebig (Hauptwerke in den 1830er/1840er Jahren) erforschten unabhängig davon und in anderen Jahrhunderten und Jahrzehnten, wie Pflanzen Kohlendioxid aufnehmen und in Biomasse umwandeln. Es waren getrennte Entdeckungsstränge: hier die Strahlung in der Atmosphäre, dort der Stoffwechsel der Biosphäre. Erst im 20. Jahrhundert begann die Wissenschaft, diese Puzzleteile zusammenzufügen. Mit der aufkommenden Systemökologie, der Geochemie (etwa durch Vladimir Vernadsky) und später der Klimaforschung und Ozeanografie entstand das Bild von einem einzigen globalen Kohlenstoffkreislauf. Ein fein abgestimmtes System von Quellen für CO2, von Senken, die es speichern, und von Rückkopplungen. Es durchdringt alle Lebensbereiche – von der Tiefsee bis zur Atmosphäre.

 

Der Kohlenstoffkreislauf reguliert die Menge an CO₂ in der Atmosphäre und ist entscheidend für das Klima der Erde sowie das Wachstum und Überleben von Organismen.

 

The global carbon cycle. The diagram shows the storage and annual exchange of carbon between the atmosphere, hydrosphere and geosphere in gigatons of Carbon (GtC). Credit: NASA Earth Observatory.

Woher kommt das CO2? Von Senken und Quellen

CO₂-Senken und CO₂-Quellen sind natürliche oder menschgemachte Stationen im Kohlenstoffkreislauf. Die Senken nehmen Kohlendioxid aus der Atmosphäre auf, speichern es und helfen so, den CO₂-Gehalt in der Atmosphäre zu reduzieren. Die Quellen geben das Kohlendioxid ab.

Natürliche Senken sind z.B. Ozeane, Pflanzen und Wälder und Böden. Sie speichern das CO2 physikalisch durch Lösung in Wasser oder durch biologische Prozesse wie Photosynthese. Künstliche CO₂-Senken sind technologische Lösungen: CO₂-Abscheidung und -Speicherung (CCS), wenn CO₂ direkt an der Quelle (z. B. Kohlekraftwerken) abgeschieden und dann unterirdisch in Gesteinsschichten eingelagert wird. Oder direkte CO₂-Entnahme (Direct Air Capture, DAC): Technologien, die CO₂ direkt aus der Atmosphäre filtern und speichern. Aber auch Aufforstung und nachhaltige Landnutzung zur Verstärkung natürlicher Senken gehören dazu. Bewusste Maßnahmen also, mit denen Ökosysteme gezielt gefördert werden, damit sie CO₂ langfristig in Biomasse und Böden speichern.

Auch bei den Kohlenstoffquellen gibt es den Unterschied zwischen natürlichen Prozessen und Systemen und menschlichen Aktivitäten. Zum natürlichen Kohlenstoffkreislauf gehört die Zersetzung organischer Stoffe von toten Pflanzen und Tieren durch Bakterien und Pilzen. Auch Vulkanausbrüche und geothermische Prozesse sind Quellen: Sie setzen CO₂ aus der Erdkruste frei, wenn auch nur in geringen Mengen. Die größten Mengen CO2 entstehen jedoch bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe, von Kohle, Öl und Erdgas für Energiegewinnung, Transport und Industrie. Hier sticht die Zementherstellung heraus. Sie ist für etwa 8% der anthropogenen CO2-Emissionen weltweit verantwortlich. Landwirtschaft und Landnutzungsänderungen, insbesondere Abholzung und Brandrodung, sind weitere bedeutende Kohlenstoff-Quellen für CO2-Emissionen. Das gilt auch für unser Abfallmanagement, besonders die Verbrennung von Abfällen.

Viele der natürlichen Stationen sind mal Senke und mal Quelle. Zum Beispiel kann ein Wald nach Stürmen, Bränden oder durch Absterben der Bäume plötzlich mehr CO₂ freisetzen und dadurch von der Senke zur Quelle werden. Entscheidend ist die Bilanz. Wenn ein Biosystem wie ein Wald, der Boden oder das Meer mehr CO2 aufnimmt, als es abgibt, ist es eine Senke. Ist es andersherum, wird das System zur Quelle. Zur Rechnung gehört auch: Wenn die Quellen mehr CO₂ freisetzen als die Senken aufnehmen können, erhöht sich die CO₂-Konzentration in der Atmosphäre. Das verstärkt den Treibhauseffekt und führt zur globalen Erwärmung.

Das Gleichgewicht, das ausgewogene Wechselspiel zwischen Speichern und Freisetzen spielt eine zentrale Rolle für den Kohlenstoffkreislauf und beeinflusst maßgeblich die atmosphärische CO₂-Konzentration und damit das Klima. Deswegen enthalten alle Klimaschutzstrategien Elemente, mit denen natürliche Senken bewahrt und gefördert werden, zugleich werden neue Technologien zur CO₂-Reduktion entwickelt.

Warum CO2-Reduktion so wichtig ist

Die Verhältnisse im Kohlenstoffkreislauf ändern sich weiter: In 2024 lagen wir bei 422,5 ppm CO2 in der Atmosphäre [9], Tendenz weiter steigend. Das klingt nicht nach viel, ist es aber im Verhältnis zu den Werten um 1850-1880 mit 280 ppm. Da mittlerweile wissenschaftliche Einigkeit herrscht, dass menschliches Handeln der Auslöser für die jetzt so hohen Konzentrationen ist, hat die Weltgemeinschaft in Klimaabkommen ebenso menschliche Maßnahmen zur Dekarbonisierung beschlossen, also zur Senkung der Emissionen, die mit anthropogenen Aktivitäten verbunden sind. Damit verbunden ist eine komplette Neuausrichtung der globalen Wirtschaft, ein grüner Gründergeist – und das betrifft uns alle.

Weiterlesen, Links, Anmerkungen:

 [1] Ein schlaues, spannendes, lehrreiches und großartiges Buch: Dag Olav Hessen: C – Die vielen Leben des Kohlenstoffs

[2] M. Fourier: Les Températures du globe terrestre et des espaces planétaires (Orginalsprach französisch) und hier in Englisch

[3] Bis vor kurzem wurde die Entdeckung des CO2 in der Atmosphäre dem irischen Wissenschaftler John Tyndall zugeschrieben. Als aber im Jahr 2011 der Geologe Raymond Sorenson zufällig auf einen Bericht in dem Jahrbuch der „American Association for the Advancement of Science“ aus 1856 stieß, änderte sich die Geschichte. Denn die Wissenschaftlerin Eunice Newton Foot war diejenige, die erkannte, dass es die Gase in der Atmosphäre sind, die für die irdische Temperaturregelung sorgen. Das war eine kleine, wenngleich von der Öffentlichkeit unbemerkte Sensation, denn zur damaligen Zeit hielt man alle Gase für transparent und damit für Wärme-durchlässig.

[4] Understanding Eunice Foote’s 1856 experiments: heat absorption by atmospheric gases 

[5] John Tyndall: On Radiation

[6] Ausführlich in dem Standardwerk und Buch: The Discovery of Global Warming von Spencer R. Weart

[7] Die Meilensteine der Entdeckung der globalen Erderwärmung hat das Institut AIP hier zusammengestellt.

[8] Jan Ingenhousz: Experiments upon Vegetables, Discovering their Great Power of Purifying the Common Air (1779)

[9] Analysis: Global CO2 emissions will reach new high in 2024 despite slower growth