Plastikfrei im Badezimmer mit Essenzen aus Pulver und Leitungswasser

Das Badezimmer ist der Ort, an dem sich besonders viele Tuben, Bürsten aller Art, Dosen und Flaschen aus Plastik sammeln. Der Plastikmüll wäre vermeidbar: Shampoos und Duschgel bestehen vor allem aus Wasser und lassen sich genauso gut durch Seife oder feste Shampoos ersetzen. Das mag aber nicht jeder. Für Fans von Flüssigprodukten gibt es jetzt eine plastikfreie Lösung von Treu Refill. Das Beauty-Startup setzt auf Pulver, die jede und jeder einfach mit Leitungswasser selber mischen kann. Dafür hat die Gründerin Eva-Maria Wendt die Inhaltsstoffe von Shampoo, Conditioner, Hand- und Körperpflege analysiert, auf die wesentlichen reinigenden und pflegenden Essenzen reduziert und zu den feinen Pulvern verarbeitet. Sie sind in Papiertüten verpackt, biologisch abbaubar, ohne Tierversuche, vegan und in Deutschland hergestellt. Wir haben mit Eva-Maria Wendt und Ulrike Lierow-Schad, zwei der drei Gründerinnen von Treu Refill, über ihren Weg von der Idee zu Pflege aus Pulver bis zur Markteinführung von Treu Refill gesprochen.

Der Beauty-Markt gilt als hart umkämpft, mit einem starken Wettbewerb und sehr vielen billigen Produkten. Wieso wolltest Du genau für diesen Markt eine Lösung finden und Haarreinigung und Haarpflege anbieten?

Die Entscheidung fiel, nachdem meine Familie und ich 2018 für ein paar Monate in Bali waren. Wir erlebten, wie glücklich die Menschen da sind aber wie sehr sie die Flut von Müll überfordert, der ständig angespült wird. Das Plastik wird in Lagerfeuern verbrannt und man erstickt fast. Und das ist ja nicht nur in Bali so, das betrifft alle Länder im globalen Süden, da gibt es nicht so ein Abfallentsorgungssystem, wie wir es haben, ohne das zu werten.

Wir haben gedacht: Das kann so nicht weitergehen, das ist ja unser Müll, wir müssen was in unserem Alltag tun, sonst ändert sich das nicht.

Und das wurde dann unser Neujahrsvorsatz 2019: Wir stellen bei jedem Kauf, wenn das Produkt oder die Verpackung aus Plastik ist, in Frage, ob das jetzt sein muss. Damit meine ich nicht die eingepackte Gurke, das ist klar, dass wir die nicht kaufen, sondern die großen Bereiche, Kosmetik und Reinigung, wo das noch überhaupt nicht angekommen ist. Zumindest war das 2018 noch total in den Kinderschuhen. Da gab es noch keine Shampoo-Bars. Sondern schrille, bunte, laminierte Verpackungen, einmal benutzt und weg. Das dominiert ja immer noch die Verkaufsregale. Für mich war klar: Das kann nicht das Prinzip sein. Und ich habe das als Challenge genommen mich mit der Problematik auseinander zu setzen. So fing das an. Ich wollte eine Lösung für Pflegeprodukte aus dem Badezimmer finden, hier sah ich die wenigsten nachhaltigen Alternativen zu Plastikprodukten und das waren auch die auffälligsten Plastikabfälle, die ich in Bali erkannt habe. Diese Kategorie Plastikmüll ist auch hier noch schwer recycelbar, weil sehr bunt und mit starken synthetischen Duftstoffen belegt. Der größte Anteil wird auch hier verbrannt.

Pulver-Shampoo gibt es seit 1903, es war eine Erfindung von Hans Schwarzkopf. Aber 2019 war es noch schwierig Pulver-Shampoo in Drogerien zu finden, da kam gerade die Zeit der nachhaltigen Shampoo-Bars. Du hast Dich dann aber für Pulver als Basis für Haar- und Körperpflege entschieden. Wie bist Du auf die Idee gekommen?

Ich habe auf die Inhaltsstoffe geguckt und gefragt: Muss das flüssig sein? Denn der Inhaltsstoff, der am meisten in den Flaschen ist, ist Wasser. Das ist nicht schlecht, aber an dieser Stelle ist Wasser ein Füllstoff, ein Vehikel. Ich habe dann trotzdem erst einmal angefangen Shampoo-Bars selbst herzustellen und mich in diese ganzen Inhaltsstoffe reinzulesen, mich mit der Materie anzufreunden. Aber für mich sind die schwierig, ich habe Locken. Außerdem sagen viele Menschen, sie fänden keinen Zugang zu Shampoo-Bars, werden damit nicht warm, ich ja auch nicht. Dann habe ich mich gefragt welche Alternative es zu Shampoo-Bars gibt, welchen Basisstoff, der auch so hochkonzentriert ist, vielleicht sogar noch komprimierter und effizienter. Und so kam ich auf Pulver. Du kannst ein Pulver haben, das Du in Wasser auflöst und das dann erst größer wird, das also auch ein viel geringeres Transportgewicht hat. Die Idee hat bei mir gezündet, dass es noch eine Variante gibt, die Menschen abholt, die mit Shampoo-Bars nicht zurechtkommen und dazu noch den Zusatz, dass es noch weniger Gewicht hat. Wenn man das hochrechnet, kann Pulver die vielen Flüssigprodukte ablösen, in Bezug auf Lagerfläche, Transportvolumen, das zieht eine ganze Kette nach sich, das sind viele Benefits, die Müll vermeiden und insgesamt klimafreundlicher sind.

Du wolltest also die existierenden Beauty-Produkte neu denken, zerlegst sie in ihre Bestandsstoffe und kommst als Lösung auf ein Pulver. Dabei kommst Du nicht aus der Chemie noch aus dem Beauty-Bereich, ursprünglich hast Du einen anderen Beruf.

Ich bin Szenenbildnerin beim Film, Production Designerin. Da bin ich es gewöhnt Thematiken auseinanderzunehmen und dafür einen Lösungsansatz zu finden, es gibt ein Drehbuch, da stehen die Probleme, die Herausforderungen drin, das müssen wir visualisieren. Das Beauty-Segment ist ja auch mit das härteste, was Du machen kannst, alles ist viel zu billig – das habe ich ja davor nicht gewusst, ich hatte da nie drüber nachgedacht. Ich bin mit der Vorstellung rangegangen, hier machen wir super Inhalt, wir finden ein super Labor und dann das Tütchen für das Pulver und so fort. Wir haben die Idee und setzen das um, machen das jetzt einfach mal. Und dann haben wir erst einmal gemerkt: Stop. Die Welt ist ja noch gar nicht so weit. Das gibt es alles noch gar nicht.

Wie wurde dann aus der Idee ein Start-up?

Ich habe mich erst einmal auf Pulver konzentriert, angefangen mich damit zu beschäftigen, zu recherchieren, wo kann ich anfangen Pulver zu produzieren, gibt es Labore, die das entwickeln können. Und übrigens nein, die gibt es eigentlich nicht. Ich habe meiner Freundin Christine davon erzählt, sie ist Brand Designerin und hat sich parallel auch mit den Aspekten Nachhaltigkeit und Beauty beschäftigt. Irgendwie war recht schnell klar, dass ich daraus ein Unternehmen entwickeln will und bei Christine auch, sie ist 2019 eingestiegen. Der Name Treu Refill stand schon relativ schnell fest, auch als Bekenntnis „das machen wir jetzt“. Wir haben das bis zum jetzigen Punkt weitergetragen und entwickelt und haben gerade die Produktion der ersten seriellen Charge abgeschlossen, die wir jetzt in unserem Online-Shop anbieten. Ulrike ist dann als Dritte im Bunde im Spätsommer 2021 dazu gekommen und kümmert sich hauptsächlich um Sales.

Ihr hattet alle keine Erfahrung mit Beauty-Produkten, dem Markt und ihr hattet keine Partner. In der Kosmetik sind die Lohnhersteller wichtig. Betriebe, die zum einen die Produktionsanlagen haben, mit denen sie verschiedene Wirkstoffe mischen, zu dem gewünschten Produkt wie Lotion oder eben Pulver verarbeiten und alles in die Verpackung abfüllen. Zum anderen haben die Lohnhersteller auch das Wissen um die richtige Zusammensetzung bei den Abmischungen. Wie seid ihr zu euren Partnern gekommen?

Wir haben lange gesucht, um die idealen Partner zu finden und haben jetzt ein super Gefühl, dass es die richtigen sind. Aber das war schon eine Herausforderung. Viele sagten „witzig, gute Idee“, aber die meisten haben nur die Anlagen, die für Flüssigprodukte ausgelegt sind. Es gibt nur wenige, die Maschinen für Pulver haben. Die sind dann oft ausgebucht mit dem Billigzeug, haben keine Zeit für Entwicklung und wir bekamen keinen Fuß in die Tür. Die Lohnherstellerin, die das jetzt mit uns macht, hat zwar ein Labor, aber sie hat schnell festgestellt, dass es sich nicht für sie rechnet, die perfekte Formel für die Wirkstoffe, die Inhaltsstoffe, zu finden. Trotzdem: Sie hat sich mit uns beschäftigt und uns einen sehr wertvollen Tipp gegeben, weil sie meinte „Sie haben sich in die Thematik jetzt schon so reingedacht: Versuchen sie die richtige Mischung doch mal selber, das geht vielleicht besser und schneller.“ Die hat uns da so reingeschubst, trotzdem begleitet und das war eigentlich total super. Sie war auch von Anfang an von der Idee und der Möglichkeit dieses Lösungsansatzes angefixt. Aber es gab auch immer mal wieder Punkte die schwierig waren, besonders bei den Rohstoffen. Hier war die Herausforderung sich die besten Pulverwirkstoffe herauszutrüffeln. Wir kaufen am Anfang ja nur kleinere Mengen und waren nicht sicher, ob wir da rankommen und die Hersteller für uns begeistern können. Aber ein Labor hätte uns vielleicht was vorgesetzt und wir hätten das nicht so hinterfragt. Hätten wir uns selber damit nicht so sehr beschäftigt, beschäftigen müssen, wäre es ein anderes Ergebnis geworden. Und tatsächlich war es dann bei den Rohstofflieferanten so, dass wir auch hier mit der Pulver-Lösung begeistern konnten und Support erfahren haben.

Ihr habt für das Shampoo neun und für den Conditioner zwölf unterschiedliche Rohstoffe. Müsst ihr das Pulver mit den verschiedenen Bestandteilen dann selber durcheinandermischen, damit sich das vermengt und kein Schichtwerk wird?

Das haben wir nur am Anfang in der Entwicklungsphase selber gemacht, zu Hause in meiner Laborküche. Die Mixer wurden immer größer. Es war ja nie unser Ziel, dass wir das Pulver auf Dauer selber machen. Als wir die perfekte Mischung hatten, konnten wir das an die Lohnherstellerin abgeben. Sie macht das heute professionell für uns.

Wie hast Du Dir das Wissen angeeignet, hast Du ein Tutorial nach dem anderen geguckt, gibt es so was überhaupt?

Nein, ein Tutorial für das, was wir da konkret machen, gibt es noch nicht… Ich stand in meiner Küche, habe Chemie gemacht, gesucht, neu überlegt, recherchiert, gelesen, wieder versucht, gescheitert, wieder neu überlegt und eine Lösung gefunden. Man kann ja auf Formulierungen für Shampoo zum Beispiel gucken, die flüssig sind und die man gut findet. Daraus habe ich dann versucht Ableitungen zu finden, wie das für Pulver sein könnte. Flüssigprodukte haben zwar andere Herstellungsweisen und Energieprozesse, aber man kann schon etwas ableiten, was gut funktioniert und was nicht. Ich habe mich in ayurvedische Heilmedizin eingelesen, die Lateinamerikaner sind gut was natürliche Rohstoffe anbelangt, die Beautygeheimnisse unserer Großmütter recherchiert usw., damit habe ich mich beschäftigt, um daraus die perfekte Pulvermischung zu ziehen. Aloe Vera, Macawurzel, Amla-Pulver oder Shikakai zum Beispiel sind ganz großartige Schönheitsmittel. Es gibt Naturstoffe, die sind per se gut, für uns und für die Umwelt. Dafür braucht man sich nicht Schweröl auf die Haare klatschen, damit sie schön werden. Aber wir haben ja auch kein Wundermittel, es ist kein Zaubertrank, sondern eine natürliche Bio-Variante von Pflege und Reinigung, die funktioniert. Das war unser Anspruch von Anfang an.

Habt ihr kein Problem damit, dass in den großen Kesseln noch die Bestandteile der anderen Produkte mit ihren jeweiligen Zusammensetzungen sind?

Wir haben jemanden gesucht, der eben nicht vorrangig Discounter bedient, der auf naturkosmetische Produkte ausgerichtet ist und tatsächlich auch Pulver verarbeiten kann. Das sind Stahlkessel, in denen die Rohstoffe gemischt werden und sie werden natürlich nach jeder Produktion gründlich gereinigt. Plastikbehälter würden vielleicht eher was aufnehmen. Pulver diffundiert auch nicht so stark wie Flüssigkeiten. In dieser Maschine wird nur Pulver gemacht und das muss rückstandslos sein. Das gewährleistet die Lohnherstellerin auch und nach jeder Charge werden Stabilitätstests gemacht. Geht auch gar nicht anders und das machen die anderen auch so.

Ihr habt von 2019 bis 2021 ein Home-Labor gehabt und dann im Sommer 2021 eine Startnext-Crowdfunding-Kampagne aufgesetzt und damit zum ersten Mal Feedback von der Öffentlichkeit bekommen. Hattet ihr da schon die optimale Formel für eure Produkte fertig?

Das lief alles parallel. Wir haben ungefähr ein Jahr also bis Sommer 2021 gebraucht, bis wir die drei Pulver für Shampoo, Conditioner und Hand and Body Wash fertig hatten. Das sind zwei Jahre und das ist ganz schön lang und ganz schön kurz zugleich, denn wir haben ja alles andere auch noch gemacht. Die Startnext-Kampagne haben wir ohne Agentur aufgesetzt. Dazu kam: Du kannst nicht einfach sagen, ich habe mir jetzt eine tolle Formel ausgedacht, packe die in Tüten und verkaufe die. Sondern du brauchst eine externe Prüfung, dass das zugelassen wird. Es gibt eine Kosmetikverordnung und da mussten wir auch jemanden finden, der unsere Pulver unabhängig prüft und sich da rein denkt und das abnimmt und dem Ganzen einen gesetzlichen Rahmen gibt

Was ist das für eine Prüfstelle?

Bevor ein kosmetisches Produkt zugelassen wird, müssen bestimmte Kriterien erfüllt werden. Die sind in der EU-Kosmetikverordnung definiert. Dazu gehören dermatologische Tests und Stabilitätstests in Bezug auf Bakterien und Keime. Das Pulver wurde unter Laborbedingungen und unter den unterschiedlichsten Voraussetzungen beschossen, denn auch natürliche Stoffe in Verbindung können hinterher schädlich sein und reagieren. Es wird auch in einem Sicherheitstest geguckt, ob die Stoffe unbedenklich sind, ob kritische Spurenelemente, Arsen und dergleichen enthalten sind. Das alles wird von einer unabhängigen Instanz geprüft und muss im Zusammenspiel als unbedenklich und sicher bewertet sein. Was bei uns der Fall ist.

Das Pulver ist das eine, aber wie war die Prüfung möglich, da ihr doch das Pulver mit Wasser mischt?

Ja, das war eine Herausforderung, denn jedes Leitungswasser hat eine andere Qualität in Bezug auf Eisen und Kalkgehalt und das macht was mit dem PH-Wert. Der wiederum hat einen Einfluss auf die Konservierung und muss in jedem kosmetischen Produkt reguliert werden. Das macht man z.B. mit Zitronensäure, aber es geht auch anders. Bei den üblichen Flüssigprodukten ist das Wasser ja bereits enthalten, da ändert sich der PH-Wert nicht mehr. Für uns war das die größte Herausforderung, all die unterschiedlichen Wasserarten auszutarieren und eine Lösung zu finden. Das wusste auch der Hersteller des Konservierungsstoffes zunächst nicht, ob und wie das funktioniert und wir waren sehr froh, dass wir eine Idee hatten, die alles Test sicher standgehalten hat.

Eure Startnext-Kampagne lief bis Dezember 2021 und war ein Erfolg. Wie geht es jetzt weiter, wollt ihr in Drogeriemärkte?

Es gibt zunehmend mehr Menschen, die Lust haben auf solche Lösungen, es ist ja nicht nur, dass wir Pulver für Shampoo, Conditioner und Hand and Bodywash anbieten, sondern wir sparen Logistik und Transport und damit jede Menge CO2. Für uns war es wichtig, eine schöne, natürliche und wertvolle Pflege und Reinigung in Bio-Qualität für Hände, Körper und Haare anzubieten. Das gibt es jetzt. Parallel fangen wir schon uns weiteren nachhaltigen Ideen zu widmen, die da schlummern. Wir sind inspiriert, können uns noch einiges vorstellen und möchten Treu-Refill zu einer der klimafreundlichen Bio-Marken aufbauen.
Liebe Eva, liebe Ulrike: Vielen herzlichen Dank für eure Geschichte.